Inklusive Erwachsenenbildung
 
Menschen mit geistiger Behinderung sind die Nagelprobe für die Inklusion
von Sigurd Seifert
 
"Volkshochschulen waren eigentlich immer ein Hort der Inklusion. Sie haben schon immer Bildung für alle angeboten", erklärte Eduard Jan Ditschek vom Berliner Aktionsbündnis Erwachsenenbildung inklusiv (ERW-IN) in einer Podiumsdiskussion in der Mittelpunktbibliothek Köpenick am 16. April. Allerdings vergleicht er die Entwicklung der Berliner Volkshochschulen in den letzten Jahrzehnten mit der Austreibung des Hans Wurst aus dem Theater zu Beginn des 18. Jahrhunderts.
 
Mit dem Verlust der Wandertruppen ging eine Entwicklung vom Volkstümlichen zum Dramatischen einher. Es entstand der Beruf des Staatsschauspielers. Leider ist damit etwas verloren gegangen. Im Theater des Staatsschauspielers finde man kaum HARTZ-IV-Empfänger, behinderte Menschen oder Migranten. Die UN-Behindertenrechtskonvention verweist auf dieses Problem aus der Sicht der Menschen mit Behinderung.
   Hochschule für Wirtschaft und Recht sieht das so: "Der integrative Auftrag für die Volkshochschulen war schon immer da. Hinzugekommen ist die Inklusion der Menschen mit Behinderungen". Sie wollen keine Sonderbehandlung haben. Das bedeutet aber für die Erwachsenenbildung, alle Formen der Diskriminierung zu beseitigen. Die Schulen müssen barrierefrei, die Programme für alle da sein. Die Angebote müssen differenziert sein. Der Effekt eines Lernen in Leichter Sprache wäre allerdings exkludierend. Sie wäre gut in Intergrationskursen oder solchen, in denen man Lesen und Schreiben lernen möchte. Für Kronauer ist die Gestaltung durchlässiger Grenzen bei Differenzierung der Lerninhalte deshalb wichtig. Inklusion bedeutet in diesem Zusammenhang für ihn, dass man sich an gemeinsamen Lernorten trifft, nicht dass man unbedingt zusammen im gleichen Kurs sitzt.
   Auch Prof. Dr. Karl-Ernst Ackermann von der Gesellschaft für Erwachsenenbildung und Behinderung sieht im differenzierten Herangehen eine Lösung. "Bildungsunfähigkeit ist ein Begriff aus der Nazi-Zeit", betont er. Allerdings ist Behinderung nicht gleich Behinderung. Es handelt sich bei Menschen mit einer Behinderung nicht um eine homogene Gruppe. Der Förderschwerpunkt Lernen, Sprache, emotionale und soziale Entwicklung hat den größten Anteil. Dieser Teil sei gut zu inkludieren. Anders sieht es mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung aus. Für die Erwachsenenbildung ist dies die Gruppe, die sich nur mit Schwierigkeiten inkludieren ließe. "Sie stellen die Frage der Inklusion immer wieder auf die Nagelprobe", erklärt er. Sie lenken den Blick auf die landläufigen Auffassungen von Bildung: was ist Bildung, wie äußert sie sich, welche Kriterien gibt es. Wie werden Menschen mit einer geistigen Behinderung immer wieder dazu aufgerufen, darüber nachzudenken. "Die Nagelprobe heißt, dass die Inklusion, wenn sie gelungen ist, dann auch Menschen mit schweren, mit geistigen Behinderungen inkludiert haben muss", erklärt er. Sie verdeutlichen mikroskopisch die Widersprüche und Herausforderungen, die mit der Inklusion einhergehen.